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"Schnell geht es nicht und einfach ist es auch nicht,

man braucht Zeit, man braucht Leidenschaft,

aber dann ist es sehr schön!"

 

 

Magdalena Grandmontagne
Vortrag über die Geschichte der Enkaustik

 

Zunächst möchte ich Ihnen einige Etappen und Beispiele aus der Geschichte der Enkaustik, dieser wunderbaren Materie vorstellen.

 

Es ist mir auch ein Anliegen, über die Ausstellungsobjekte hinaus, Ihnen ein Verständnis der Prozesse zu ermöglichen. Warum? Weil es mir am Herzen liegt Ihnen diese Kunstform näher zu bringen! Weil ich meine Begeisterung mit Ihnen teilen will!

 

Enkaustik gehört nach der Höhlenmalerei zu den ersten Gestaltungsformen der Menschen. Sie hat eine deutlich längere Tradition als die Ölmalerei und erlebte ihre Blütezeit in der griechisch-römischen Antike. Wir wissen: Bildnisse wurden zu kultischen oder größer gefasst zu kulturellen Zwecken erschaffen. Die Menschen nutzten für ihre Kreativität Mittel, die sie in der Natur fanden.

 

Wie begann und warum entwickelt sich die erstaunliche Technik der Enkaustik-Malerei?

Die Schiffsbauer waren es, die eine konservierende Mischung aus Harz und Wachs erfanden, um die Schiffsrümpfe zu versiegeln und zu imprägnieren. Im Weiteren wurden dieser Mischung farbige Pigmente hinzugegeben zur Bemalung und Verschönerung der Schiffe. Dies war ein wichtiger kultureller Schritt: die Verbindung von Nutzen und kreativer Gestaltung. Die davon gelöste Anwendung in der Malerei folgte auf dem Fuß.Die Künstler entwickelten das Medium zum Malmittel, dem sogenannten „Punischen Wachs“ weiter, ein mit Nussöl gehärtetes und anschließend in Meerwasser gereinigtes und in der Sonne gebleichtes Bienenwachs, das unter Hitze aufgetragen wurde.

 

Einst wurden schon Kinder als Maler in diese Kunst eingeweiht. Sie wurden von der Öffentlichkeit ferngehalten, da sie als heilig galten. Niemand durfte sie berühren oder ihnen nahe sein, außer den Pharaonen, Königen oder Priestern, für die sie arbeiteten, denn sie lebten ausschließlich nur um zu malen. So war auch ihre Lebensdauer nur von kurzer Zeit, denn durch die damals ungereinigten Giftstoffe und Säuren erkrankten sie schnell und starben im jungen Alter.

 

Ich nehme an, dass einige unter Ihnen, vielleicht die meisten unter Ihnen bis zu diesem Abend nicht wussten, was man unter Enkaustik versteht. Wenn ich Sie jetzt frage, ob Sie schon einmal ein in Enkaustik ausgeführtes Kunstwerk gesehen haben, werden viele von Ihnen das verneinen. Das ist ein Irrtum! Jeder unter uns hat zumindest 1 Werk bereits gesehen, in Natur oder auf Abbildungen: Es ist die bemalte Büste der Nofretete! Eine Analyse des verwendeten farbigen Wachses ergab ein Alter von ca. 3350 Jahren! Die Erklärung des Phänomens ist die Langlebigkeit des Wachsauftrages. Diese Tatsache allein könnte schon genügen, den Wert der Enkaustik-Malerei zu begründen. Wo die Ölbilder der alten Meister durch Abdunkeln und Schwundrisse verloren zu gehen drohen, ist die Haltbarkeit der Enkaustik-Malerei faszinierend.

 

Der sichtbare Reiz dieser Technik liegt in der besonderen Lichtreflektion: da das Licht nicht an der Oberfläche abprallt, sondern tief in die Malschicht eindringt und von hier wieder zurückstrahlt, wirkt die beinahe durchsichtige Oberfläche sehr plastisch. Die Farben blühen kraftvoll in dieser „Hautschicht“ aus Bienenwachs und erscheinen dadurch sehr lebendig. Die reinen Farbpigmente sind nicht von einem trüben Malmittel gebunden, sondern leuchten wie von innen im nahezu transparenten Bienenwachs. Durch die Einbettung der Farbpigmente in das schützende Wachs werden also Helligkeit und Farbkraft der Bilder bewahrt. Unempfindlich gegen Feuchtigkeit sind sie fast unbegrenzt haltbar.

 

Zeugnis davon geben auch die Wandmalereien in Pompeji.

 

Die berühmtesten Enkaustikmalereien aller Zeiten sind die bei Ausgrabungen im ägyptischen Fayum-Becken entdeckten Mumienporträts auf Holztafeln aus dem 1. und 2. Jh., die den Toten mit ins Grab gegeben wurden. Die Technik fand ebenso Verwendung in der Ausmalung von Grabstätten, in der Porträtmalerei und bei mythologischen Szenen. Wenn man nachforscht stößt man auch auf die Votivtafeln und Totenmasken, die seit der Bronzezeit per Wachsabdruck von den Verstorbenen genommen wurden und die sich zu jener eigenen Form der „Bewahrung des authentischen Menschengesichts“ entwickelten, wie wir sie heute kennen. Auch einige wenige sehr alte christliche Ikonen sind erhalten geblieben, z. Bsp. im Katharinenkloster auf dem Sinai oder die Maria Advocata in Rom.

 

Was ist der magische Inhalt dieser Kunstwerke? Was bedeutete die Verwendung von Hitze?

In der Vorstellung der Künstler wurden die eigenen materialisierten Gedanken mit Feuer unvergänglich auf der Malfläche eingebrannt. Platon spricht von „dem Gedächtnis fest eingeprägten Vorstellungen“. Indem man das Antlitz des Verstorbenen abformte, glaubte man, an seiner geistigen Hinterlassenschaft festzuhalten und an ihr teilhaben zu können.

 

Schriftliche Quellen über die Enkaustikmalerei gibt es aus ihrer Anfangszeit wenige. Der römische Historiker Plinius Mayor beschrieb im 1. Jh. n. Chr. in seinem Hauptwerk „Naturalis Historia“ erstmals die verschiedenen Techniken und Anwendungen. Sie bilden die Basis für weitere Untersuchungen. Plinius nannte 3 Grundverfahren:

- eine der Einlegearbeit verwandte Technik („Inclusions“)

- das Eingraben mit einem Schneidewerkzeug („hot cuts“)

- das Auftragen von heißem Wachs mit Pinseln („tracé à chaud“)

 

Erst über 1000 Jahre später setzte im 16. Jh. die Erforschung dieser Technik wieder ein. Woher die großen Zeitsprünge in der Entwicklung und Anwendung? Wie kann es sein, dass die Enkaustik jahrhundertelang in Vergessenheit geriet und plötzlich wieder auftauchte? Für die Maler erklärt es sich dadurch, dass neue, einfachere Techniken entdeckt wurden, wie zum Beispiel die Eitempera. Sie löste das äußerst aufwendige Verfahren mit Wachs ab. Aber warum erhielt im Spätmittelalter das Material Wachs plötzlich wieder Bedeutung?

 

In unserer Kulturgeschichte gibt es immer wieder Momente, wo der Forschergeist und die technischen Entdeckungen auf glückliche Weise zusammen treffen und einen qualitativen Sprung neuer oder bereits bekannter Möglichkeiten auslösen. Von den animistischen Philosophien zu den astronomischen Entdeckungen, von der Physik, der Mathematik, der Biologie und den ökonomischen Verhältnissen ausgehend werden plötzlich genau die Mittel gefunden oder wieder belebt, die den Forschern dienen und gesellschaftliche Veränderungen bewirken, weil sie genau den Bedürfnissen entsprechen. Weil sie genau zur rechten Zeit da sind.

 

So war die Zeit des Wachses gekommen. Es sind die haptischen Qualitäten des Stoffes, der hautähnliche Aspekt, die Formbarkeit des warmen, lebendigen Materials. So fand in der Anatomie der Werkstoff Wachs eine neue Anwendung. Im 16. Jh. formten Leonardo da Vinci und Orsini Wachs über hölzernen Skeletten. Sie nutzten das geschmolzene Material für Gefäßinjektionen und erstellten die ersten Wachspräparate von großer Natürlichkeit für medizinische Forschungen. (Josefinum in Wien!) Diese medizinischen Modelle hatten eine dem menschlichen Körper sehr ähnliche Anmutung. Als im 18. Jahrhundert große Ausgrabungen antiker Stätte stattfanden, zum Beispiel in Herculaneum und Pompeji, erhielt die Vorstellung von antikem Leben und antiker Kunst neue Nahrung.

 

Die Entdeckung der Wandmalereien und die Funde alter Werkzeuge schürte das naturwissenschaftliche Interesse an den alten Techniken. Für die Künstler entsprach die Renaissance der Enkaustik dem Geist der Zeit, der Neigung zu raffinierten Farb- und Lichtwirkungen in der Malerei. Die Resultate übertrafen alle bisher gebräuchlichen Techniken ob ihres besonderen Glanzes. Es waren auch die Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Gebieten, die sich zu dieser Zeit mit den Qualitäten des Wachses befassten, was für eine Zusammenarbeit von Kunst und Wissenschaft!

 

In Frankreich erforschten im 18. Jh. der Comte de Caylus, Archäologe und Literat, und der Maler Bachelier die Verwendbarkeit der Wachsfarben mit dem Pinsel. Der erstere führte Terpentin als Lösungsmittel ein, man nannte dies die „peinture à la cire“, der andere brachte Wachs als Firniss auf bereits gemalte Bilder auf, genannt “eau de cire“, beide bekämpften sich heftig. In Italien wurden Schulen und Künstlergruppen gegründet, die Enkaustikmalerei wurde erstmals in Akademien in Bologna, Ferrara und Mantua gelehrt. Theoretiker wie der in Rom lebende spanische Jesuit Abbé Requeno nahmen das Thema auf, ebenso Lorna, ein italienischer Mathematiker. Es gab leidenschaftliche Auseinandersetzungen zwischen den Verfechtern des Systems, Wärme zum Erweichen des Wachses zu verwenden und denjenigen, die Chemikalien dazu benutzten.

 

In Deutschland erfand Thobias Mayer, Professor der Mathematik und Ökonomie in Göttingen, das „Einbrennen eines Gemäldes in Wachs“, das man abdrucken konnte und durch Abschaben der oberen Schicht weiter verwenden konnte. (Palimpsest!) Hofrat Reiffenstein ließ die von Katharina II von Rußland für die Eremitage in Auftrag gegebenen Kopien von Raffael u.a. in Enkaustik ausführen. Entsprechend der Neigung dieser Zeit war es Ziel der Maler, eine gut anwendbare und die Ölmalerei übertreffende Technik zu entwickeln, die geeignet war für großformatige Darstellungen bei der Ausmalung von Innenräumen, Kirchen und Wänden.

 

Enkaustikmalerei heute
Die Experimentierfreude in der zeitgenössischen Kunst und die Suche nach neuen – oder wieder neuentdeckten Wegen lässt die Enkaustikmalerei auch heute wieder aufleben. Im 20. Jahrhundert haben international bedeutende Künstler wie Jasper Johns, Robert Delaunay, Diego Rivera, Martin Assig und viele andere mit der Technik der Enkaustik wichtige Werke der zeitgenössischen Kunst erschaffen, die als sehr werthaft gelten. Ein in jedem Schulbuch abgebildetes Bild der amerikanischen Flagge von Jasper Johns wurde bei Christies für 25,5 Millionen Dollar versteigert.- Hier sollte der Galerist darauf hinweisen, in Enkaustikmalerei zu investieren!

 

Was sind die Anforderungen an den Künstler heute?
Heute kann man das mühsame Schmelzen des Wachses durch elektrisch geheizte Malgeräte vereinfachen. Trotzdem bleibt diese Malerei eine schwierige Kunst, die Disziplin und Ausdauer verlangt.Die langen Vorbereitungen brauchen Geduld und Sorgfalt. Die notwendige Eile beim Arbeiten setzt große Spontanität voraus. Der Körpereinsatz bei entsprechender Hitze verlangt Kraft. Die Schnelligkeit in der Ausführung braucht Konzentration. Und bei alledem braucht es eine Menge Mut, um das Unvorhersehbare in der Arbeit zuzulassen, die Fehlschläge einzustecken und immer wieder bereit zu sein zu lernen. Dafür belohnt die Enkaustikmalerei den Künstler durch spannende Erlebnisse mit den heißen, flüssigen Farben, die sich zwar lenken lassen, aber immer auch einen eigenen Anteil an der Gestaltung haben, wie eine lebendige Materie. So weit zur Technik und Handhabung.

 

Was ist der Reiz in meiner künstlerisches Aussage?
Seit Jahrzehnten bin ich auf Spurensuche. Ich suche die künstlerische (nicht die biologische oder photographische) Annäherung an Grundformen von Wachsen und von Bewegung. Mit dem Verzicht auf eindeutige Zuordnung dieser Muster suche ich allgemeiner gültige Formen, die dem natürlichen Abbild überlegen sind, den Weg öffnen zur Interpretation und die Grundschemen in unserem Leben erahnen lassen.Der Weg führt, ob zuhause oder auf Reisen, sowohl über Naturbeobachtung wie auch über die Begegnung mit wissenschaftlichen Darstellungen:

 

- zum Beispiel Gewebeschnitte oder Zellkulturen, die plötzlich auf unserem Computer erscheinen und die Entsprechung mikroskopisch kleiner oder kosmisch großer Dimensionen aufzeigen,

- die palimpsestartigen Schrifttafeln in Ugarit in Syrien oder im Papyrusmuseum in Syrakus, die erste Piktogramme und Schriftzeichen enthalten,

- die erstarrten Bewegungsstrukturen im Lavagestein in Lanzarote, die unvorstellbare Kraft eingefroren haben,

- die waagerechten Schichtungslinien der Ablagerungen von Wasserständen, die Zeitabläufe aufzeichnen,

- die ständig wechselnden Sandspuren am Strand von Indien, die unendliche Variationen stets ähnlicher Muster ergeben.

 

Dies alles führt zu meinem Repertoire an graphischen Zeichen, die zum Bild werden. Bilder, die anklingen an Erfahrungen und Beobachtungen, die das Ganze unserer Welt erahnen lassen. Vor zwei Jahren bekam diese Suche neue Nahrung durch die Beobachtung unserer Bienen, ihrer Wabenzellen, das Füllen der Stöcke, der Orientierungs- und Flugbewegung. Was für eine so kleine und doch so komplexe Welt war da zu beobachten!

 

Ich bin 2-fach fündig geworden: Zum einen vermittelt diese Welt eine Ahnung von Ordnung, Maß, Regeln, Kommunikation, sozialem Aufbau, aber auch von Schönheit, Sinnlichkeit, Lebensfreude, Ästhetik. Zum anderen wurde das Bienenprodukt „Wachs“ mein Medium, um alle diese Eindrücke aufzunehmen, zu interpretieren und zu erhalten. Der körperliche Kontakt, der Duft, die Weichheit, die Wärme sind das Besondere dabei, das Einzigartige. In unserer schnelllebigen Welt sucht man nach Beständigkeit. Vielleicht wird auch deshalb diese anspruchsvolle Malerei wieder aufgewertet.

 

Schnell geht es nicht und einfach ist es auch nicht, man braucht Zeit, man braucht Leidenschaft, aber dann ist es sehr schön!